Die Ästhetik der plastischen Fakten

Nicht erst seit dem Film „Plastic Planet“ gibt es ein Bewusstsein über die umweltpolitischen und gesundheitlichen Probleme, die durch Kunststoffe verursacht werden. Die Mannheimer Kommunikationsdesignerin Heike Wagner hat sich nun in ihrer Bachelorarbeit zwischen kritischer Auseinandersetzung und grafisch ansprechender Aufbereitung ans Thema herangetastet. Imre Withalm wurde hellhörig und hat deshalb per Mail nachgefragt.


Welchen Hintergrund hat deine Themenauswahl – warum Kunststoffe?

Ermutigt durch den Dokumentarfilm „Plastic Planet“ und nach einigen Recherchen bin ich zu dem Entschluss gekommen, meiner Bachelorarbeit das umfangreiche Thema Kunststoffe mit all seinen positiven und negativen Facetten, zu widmen.

Dein Studium setzt sich vor allem mit der Präsentation auseinander – inwieweit konntest du dich inhaltlich mit dem Thema beschäftigen?

Zum größten Teil war ich in den drei Monaten, denn für eine Bachelorabschlussarbeit hat man nicht länger Zeit, damit beschäftigt mich durch Bücher, Blogs, Internetseiten und Dokumentationsfilme zu informieren und so dem Thema näher zu kommen. Da braucht man schon ein gutes Zeitmanagement um nicht den Überblick zu verlieren, denn der Inhalt soll dem „Äußeren“ auch gerecht werden.

Welche Erfahrungen hast du mit der Kombination Nachhaltigkeit und Design gemacht – sind sie natürliche Partner, oder kommt erst das eine, dann das andere?

Ich glaube, dass das Thema an sich – also Nachhaltigkeit – in Bezug auf Design so aktuell wie nie zuvor ist. Besonders für Firmen stehen nach der Wirtschaftskrise traditionelle Werte wieder im Vordergrund. Der Konsument beschränkt sich auf das Wesentliche und bedient sich an langlebigen Produkten. Da spielt natürlich auch ein gut funktionierendes und medienübergreifendes Kommunikationsdesign für längerfristige Ziele eine wichtige Rolle.

Wie kann man so ein Thema graphisch umsetzen?

Das Buch besteht natürlich aus vielen Textpassagen, aber so locker und luftig durch typographische und fotografische Spielereien unterteilt, dass man die Informationen wirklich peu á peu aufnimmt. Desweiteren finden sich noch Informationsgrafiken die einige scheinbar trockenen Zahlen und Fakten erfassbar machen. Am besten sich mal auf www.plastic-its-fantastic.de einige Seitenauszüge anschauen und für weitere Projekte auf www.heikewagner.net

Hast du bei den Materialien für dein Buch auf Nachhaltigkeit geachtet?

Die Schwierigkeit war tatsächlich der Spagat zwischen Künstlichkeit und Natürlichkeit zu meistern. Denn dem Leser bleibt es selbst überlassen, wie er zu dem Thema steht. Das Buch ist inhaltlich so neutral wie möglich gehalten, bezieht jedoch kritisch Stellung. Was das Papier angeht, konnte ich die IGEPA GROUP als Sponsoren gewinnen, was natürlich einen großen Vorteil bietet, die Papiere sind alle FSC-zertifizierte Produkte. So konnte ich mich einerseits für eine künstlich wirkende Variante, rosa Papier und eine natürlich wirkende Variante in einem cremeweißen Papier entscheiden.

Du hast das Plastik in seiner hundertjährigen Geschichte von seinen Anfängen bis heute beleichtet. Welche Alternativen gibt es zu Plastik und warum konnte sich gerade dieser Stoff durchsetzen?

Vor dem Plastikzeitalter dominierten Produkte aus Holz, Glas und Porzellan. Ein wichtiges Durchsetzungsmerkmal war und ist noch immer die Vielfalt, die enormen Einsatzmöglichkeiten und Kostenersparnisse in der Produktion. Dinge aus Kunststoffe sind für jedermann erschwinglich und austauschbar.

Du schreibst Plastik hätte auch Vorteile gegenüber anderen Materialien – welche sind das?

Das sind vorallem die technischen Eigenschaften wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur- und Wärmeformbeständigkeit. Durch unterschiedliche Herstellungsverfahren, Ausgangsmaterialien und Beimischung unterschiedlicher Additive können Kunststoffe weiterverarbeitet werden zu Verpackungsmaterialien, Textilfasern, Bodenbeläge, Kosmetika, Elektrotechnik etc. Die Einsatzmöglichkeiten sind schier grenzenlos.

Wie hast du recherchiert, woher hast du deine Informationen und Daten bezogen?

In den vorherigen Antworten bereits erwähnt über Print-, Online- und audiovisuellen Medien. Aber auch durch direkte Anfragen für Experteninterviews.

Welche Konsequenzen hast du aus deiner eigenen Recherche bezogen?

Eigentlich genau das, was ich mit meinem Buch bezwecken möchte. Die Leute für das Thema zu sensibilisieren, mit wachen Augen und Ohren durchs Leben zu gehen. Man muss sich nur mal beispielsweise im Haushalt umschauen, von wievielen Plastikgegenständen wir umgeben sind. Aber auch der unmittelbare Kontakt zu Lebensmittel finde ich erschreckend, in Form von Schüsseln, Tüten, Verpackungen, Folien und Aufbewahrungsgefässen. Komplett verbannen können wir einige Kunststoffgegenstände nicht, aber immerhin das Problem erkennen und nach eigenen alternativen Lösungen im Alltag suchen.

Es ist äußerst ungewöhnlich, dass eine Bachelor-Arbeit mit so einem Aufwand präsentiert wird – wie ist es dazu gekommen?

Mir war von Anfang an bewusst, bevor noch ein Thema für meine Abschlussarbeit stand, dass ich ein Printmedium wähle. Mich hat besonders der Arbeitsumfang gereizt, mit welchen Hindernissen man zu kämpfen hat und diese auch bewältigt. Insgesamt war es ein unheimlicher Lernprozess und man ist um eine Erfahrung reicher. Denn genau das erfüllt den Sinn einer Abschlussarbeit und man kann konstruktiver ein neues Projekt starten.

Heike Wagner, 23, ist ursprünglich aus Worms. Für ihre Bachelorarbeit hat sie sich im Rahmen ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften an der HS Mannheim inhaltlich-visuell mit dem Thema Kunststoffe auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist auch online zu sehen: plastic-its-fantastic.de

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