Bee-ologisch

Ohne Bestäubung keine Frucht, ohne Bestäubung keine Samen, keine Vermehrung, keine Vielfalt – und trotzdem wird der Lebensraum von Bienen zunehmend beschnitten.

Endlich keimt mein Kürbiskern, die Pflanze wächst, trägt schöne Blätter und Blüten und dann – fallen die kleinen, schon sichtbaren Minikürbisse der Reihe nach ab und verdorren in der Erde. Was zunächst sehr rätselhaft erscheint, hat bald eine Erklärung: Es fehlten die Bienen, die auf der Suche nach Nektar den Pollen von der männlichen zur weiblichen Blüte transportieren und so den Startschuss zur Ausbildung der Kürbisse geben. Was in diesem Fall nur – unter Anführungszeichen – ein wenig die Freude am Gärtnern mindert, ist in der Landwirtschaft jedoch ein ernstzunehmendes Problem.

»Global werden 80 Prozent der Wild- und landwirtschaftlichen Kulturpflanzen von Insekten bestäubt. Vor allem Äpfel, Birnen, Marillen, Mandeln, Kürbisse, Beeren oder Ölpflanzen sind auf die Bestäubung von Bienen angewiesen und leisten somit einen wichtigen Beitrag in der Nährstoffbereitstellung«, sagt Christian Boigenzahn, Geschäftsführer des Vereins Biene Österreich und Lektor an der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Honigbiene nimmt dabei unter allen Bestäubern eine zentrale Stellung ein: Während Wildbienen solitär leben oder die Hummelkönigin erst ein Volk aufbauen muss, überwintern Honigbienen als ganzes Volk und sind bereits im Frühjahr einsatzbereit. »Ab Mai stehen bis zu 60.000 Arbeitsbienen pro Bienenvolk als Bestäuber zur Verfügung, das macht die Honigbiene unersetzbar«, so Boigenzahn.

Kleines Allroundtalent

Blühpflanzen werden durch Bienen bestäubt, so wird das Wachsen von Obst und Gemüse meistens erst möglich und zudem die Qualität des Ertrags gesteigert. Wildpflanzen wie zum Beispiel Hülsenfrüchtler oder Kleegras bilden durch die Bestäubung Samen aus, die den Erhalt der Pflanze und damit auch den Bestand vieler Tierarten sichern, denen sie wiederum als Nahrung dienen. Die Produkte der Biene, von Honig über Wachs und Propolis bis zum Bienengift, werden vom Menschen verwendet. Bienen stehen aber auch auf dem Speiseplan vieler Insektenfresser und Studien zeigen, dass dort, wo Bienen anzutreffen sind, auch mehr Ameisenarten leben, die sich um unerwünschte Fraßschädlinge kümmern.

Die Honigbiene ist ein kleiner Alleskönner und vor allem mit der landwirtschaftlichen Produktion und der Erhaltung der Artenvielfalt ein wichtiger Faktor, dem bisher viel zu wenig Beachtung beigemessen wurde. Das dachte sich auch der Berliner Grafikdesigner Jan Erlinghagen und griff in seiner Diplomarbeit an der FH-Mainz mit dem Titel »Kleinvieh« das Thema Biene auf. In Form einer Tageszeitung behandelt er fundiert wie anschaulich die Bedeutung der Bienen im natürlichen Gleichgewicht sowie die Auswirkungen ihres Rückgangs und entwirft aufgrund von Zukunftsszenarien Handlungsmöglichkeiten für jeden. Ein 200-Exemplare-Projekt, das man – nimmt man die inhaltliche Brisanz als Gradmesser – eigentlich der Bild Zeitung beilegen sollte.

»Die Wichtigkeit der Biene wird erst dann bemerkt werden, wenn ihre Leistungen nicht mehr zur Verfügung stehen«, sagt Boigenzahn. Derzeit wird in Österreich Bestäubung weitgehend noch gratis bereitgestellt – dafür sorgt ein vielverzweigtes Netz von 23.000 Imkern und Imkerinnen, die 360.000 Bienenvölker halten. »Somit ist es entscheidend, regionalen Honig zu kaufen, damit die kleinstrukturierte Imkerei erhalten bleibt«, so Boigenzahn weiter, »Honig kann man importieren – Bestäubung nicht.«

 

Flucht in die Stadt

Im Jahr 2000 machte ein ungewöhnliches Bienensterben Schlagzeilen, das unter dem Begriff Colony Collapse Disorder zusammengefasst wurde und unter dessen Wikipedia-Eintrag mehr Vermutungen als Fakten nachzulesen sind. Fragt man Christian Boigenzahn nach den Bedrohungen für die Biene, sind dies im Wesentlichen drei Faktoren: die Varroamilbe, die Veränderung der Kulturlandschaft bzw. der Verlust des Lebensraums und nicht zuletzt der landwirtschaftliche Einsatz von Pestiziden. Die Varroamilbe ist weltweit ein großes Problem in der Imkerei. Sie beißt sich ähnlich einem Blutegel an den Honigbienen fest, befällt die Brut im Stock und macht die Bienen verwundbar. Stärkere Bienenvölker rauben schwächere aus und so überträgt sich der Parasit von einem Volk aufs nächste. Zudem zwingen großflächigen Monokulturen die Imker und Imkerinnen in Europa, mit ihren Völkern auf Wanderschaft zu gehen und tragen so zur Verbreitung der Varroamilbe bei. »Wer sich am Land aufmerksam umsieht, wird schnell feststellen, dass er sich in grünen Wüsten befindet, in denen kaum noch eine Blüte zu finden ist«, sagt Felix Munk, Sprecher des Wiener Vereins Stadtimker. Es werden großflächig Nutzpflanzen angebaut, die für Honigbienen keine Nahrung bieten. In der Stadt hingegen haben Imker weltweit eine neue Heimat für ihre Bienen gefunden, denn das Bild von der Betonwüste mit schlechter Luft ist alles andere als richtig: »Die Städte bieten mit ihren Parks, Grünflächen und Dachgärten vielfältige und gesunde Orte für Bienen, um ihren Nektar zu sammeln. Auch bleiben in der Stadt viele Ecken ungemäht, da können wilde Blumen, Disteln oder Löwenzahn wachsen«, sagt Munk und lässt sofort an Seed Bombs und Guerilla Gardening denken.

Auch was Pflanzengifte angeht, ist die Stadt ein sicherer Ort für Bienen. Auf dem Land werden zum einen giftige Beizmittel (u.a. mit Neonicotinoiden) verwendet, die gegen Fraßschädlinge und Pilze versprüht und von den Bienen an ihren Körpern bzw. über den Nektar in ihren Stock getragen werden. Zum anderen werden – nicht in Österreich, aber in Nachbarländern – gentechnisch veränderte Sorten angebaut, die häufig ein Gen von Bacillus thuringiensis enthalten und so leicht insektengiftig sind. Für Bienen angeblich unschädlich ist das gleiche Toxin als Spritzmittel jedoch sehr wohl als bienengiftig ausgewiesen. Zudem tragen Honigbienen den gentechnisch veränderten Pollen bei ihren Flügen zwischen 3 und 14 km auf Felder mit natürlicher Flora, wo es zu ungewollten Verkreuzungen kommt. Aufgrund der langfristigen Auswirkungen bleiben die Folgen für Honigbienen jedoch meist unbeachtet.

Bienen lieben Bio

Dabei ist es nicht schwierig, Bienen das Leben zu erleichtern. Im eigenen Garten können heimische Sträucher langweiligen Thujenhecken vorgezogen werden und statt monotonem Rasen sind auch auf dem Land Blühflächen angesagt, die man zum Beispiel mit einem der 400.000 Gratis-Samentütchen der aktuellen »Bees love Organic«-Kampagne (www.natureandmore.com) ansäen könnte. In der Landwirtschaft könnten neben biologischem Landbau ohne Spritzmittel und mit samenfesten Sorten Blühstreifen die geometrischen Felder durchbrechen, die Wiesen später gemäht und so Bienen, die im Boden oder den Halmen nisten, Lebensraum geboten werden. »Stellen Sie geeignete Nistplätze für gefährdete Wildbienen auf und informieren Sie andere, dass sie keine Gefahr für Menschen darstellen«, sagt Munk, denn Wildbienen können im Gegensatz zu Honigbienen auch ohne Spezialwissen von Laien gehalten werden. Zudem sind die Stadtimker stets auf der Suche nach Standorten für ihre von Profis betreuten Bienenvölker – neben dem Dach des Schloss Belvedere oder dem Gelände der OMV-Raffinerie Schwechat tut’s aber auch jede ganz normale Terrasse.

 

www.stadtimker.at
www.stadtimker.de

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