Biorama Lesersafari #6: Der jungen Hähne zweite Chance

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Toni Hubmann, Pionier der Freiland-Hühnerhaltung, mästet neuerdings auch Junghähne. Während die frisch geschlüpften Brüder der künftigen Legehennen sonst durchwegs am Tag ihrer Geburt getötet werden, sind ihnen im steirischen Glein knapp hundert Tage gewährt. Wir haben uns das Projekt vor Ort angesehen.

Zäumen wir das Pferd ausnahmsweise einmal von hinten auf. Die Biorama Lesersafari #6 endete in einem üppigen Grillhendlessen. Wie auch anders? Wir waren bei Toni Hubmann, wir waren in der Steiermark. Irgendwo im tiefen Österreich. Wie beim Löschenkohl, dachte ich mir. Wolf Haas’ „Knochenmann“ und den Brenner in lebendiger Erinnerung. „Jetzt ist schon wieder was passiert. Aber irgendwas komisch. Irgendwas passt nicht.“ Es ist die Größe der Hendlhaxen. Die ist nämlich gewaltig. Jeder kennt Hendlhaxen. Die sind immer ungefähr gleich groß. Mal ein bisserl größer, mal eine Spur kleiner. Was da in Rachau auf unseren Tellern lag, war fast doppelt so groß wie ein klassischer Grillhendlhaxen. Der Grund war, dass es keine Hendln waren. Es waren deren Brüder. Hähne. Junghähne, um präzise zu sein, und wir, die Biorama Lesersafaristen waren die ersten, die das in dieser Form gekostet haben. Testgruppe quasi. Vorweg, das Fleisch der Haxen ist sensationell saftig, fest und köstlich. Aufgrund der Größe der Junghähne ist auch auf den Flügerln genug Fleisch, um Spaß daran zu haben. Die Brust lässt da schon ein wenig nach und kommt noch eine Spur trockener rüber, als vom Hendl gewohnt. Toni Hubmann bekommt durchwegs positive Rückmeldungen und verrät die nächsten gastronomischen Schritte: Therme Bad Blumau, Meinl am Graben. Was das Grillding noch braucht, ist ein pfiffiger Name. Nicht das Tier an sich. Das heisst – ganz im Sinne der EU-Verordnung „Junghahn aus bäuerlicher Freilandhaltung“. Das Gericht braucht einen Namen. ‚Grillhendl’ ist schon von der kleinen Schwester besetzt, ‚Backhahn’ oder ‚Grillhahn’ ist denkbar unsexy. ‚Backhähnchen’? Never ever!

Die Junghähne werden übrigens auch direkt an Endkunden verkauft. In ausgewählten BILLA-Filialen in Wien, Neulengbach und Graz. Und bei Meinl am Graben.

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Das „Besondere“ am Junghahn

Was hat es also auf sich, mit den Junghähnen? Toni Hubmann nennt seine Initiative „Henne & Hahn“. Ein ähnliches Projekt in Deutschland heißt „Bruderhahn“. Anlaß und Idee sind genau die gleichen. Es geht um die Lösung eines der ältesten Probleme der modernen Legehennenhaltung, der Nichtnutzung männlicher Küken. Die bisherige Praxis ist, dass männliche Küken unmittelbar nach dem Schlupf getötet und entsorgt werden. Europaweit sind das mehr als 335.000.000 Tiere, die als „Eintagsküken“ zu Tierfutter verarbeitet werden. Wer genaueres wissen will, sei auf die Bücher von Clemens Arvay verwiesen. Er widmet diesem Problem viel Raum. Für Toni Hubmann liegt die Lösung des Problems in der Vergangenheit. Genauer gesagt in der Tradition der gemeinsamen Aufzucht von Legehennen und Masthähnen. „Diese Haltungsform ist irgendwann auf halbem Weg verloren gegangen. Inzwischen haben wir alle vergessen, wie Junghähne aussehen und vor allem wie sie schmecken,“ meint der Hendlbauer.

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Bei der Aufzucht von Hähnen in bäuerlicher Freilandhaltung ist einiges zu beachten. Gesetzlich (geregelt in der EU-Verordnung VO EG 543/2008) steht Junghahn für einen Hahn, der frühestens am dem 90. Lebenstag geschlachtet werden darf. Die Besatzdichte liegt bei 12 Tieren pro Quadratmeter. Außerdem müssen die Tiere von einer als langsam wachsend anerkannten Rasse stammen. Bei Toni’s ist das eine Mischung aus den Rassen White Rock, New Hampshire und Indischer Kämpfer. Mit den Details hält sich Ludwig Hölzl, Toni’s Zuchtmeister, noch bedeckt. Nur nicht zu früh in die Karten schauen lassen. Noch steht das Projekt schließlich am Anfang. Die anderen Anforderungen – auch die mit den begrünten Freiluft-Ausläufen – erfüllt man in Glein mit links. Mindeststandards sind eben MINDESTstandards. Und die geben für Toni Hubmann bestenfall die Richtung an. Das Schlachtalter erreichen Toni’s Junghähne mit 95 Tagen. Bis dahin haben sie ca. 12 Kilo Futter verbraucht.

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Gedanklich steht jedem Junghahn auch eine Junghenne gegenüber. Und die darf Ihre Legeperiode beenden, was zur Folge hat, dass es den Junghahn nicht das ganze Jahr über geben wird. Überhaupt wird die Produktion nicht übermäßig groß sein, so daß sich die Versorgung auf den Osten Österreichs beschränken wird. Es ist ein erster Schritt, den Toni Hubmann und sein Team da getan hat. Es ist aber ein wesentlicher Schritt. Ob es auch ein erfolgreicher sein wird, entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten. Aber da bin ich guter Dinge.

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Text und Fotos: Jürgen Schmücking

Mehr Infos zu den Junghähnen: www.tonis.at 

Ein vergleichbares Projekt gibt es von Rewe Ja! Natürlich und Vier Pfoten

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