Boden, der die Welt bedeutet

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Illustration Sarah Egbert Eiersholt

Der Boden ist eine endliche Ressource, auf die wir zum Leben angewiesen sind – wie auf Wasser und Luft. BIORAMA beantwortet die Frage, warum mit Füßen treten weniger ausmacht, als betonieren.

Österreich ist kein Bodenreich. Zwei Drittel der Landesfläche sind ungeeignet für dauerhafte Besiedlung oder ernährungsbedingte Landwirtschaft. Das findet im Gegensatz zu unseren Nachbarländern keinen Widerhall in der Gesetzgebung. Auf dem übrigen Drittel wird täglich mit großer Nutzungs- und Umwidmungsflexibilität fruchtbarer Boden völlig legal vernichtet. Einkaufszentren werden außerhalb des Siedlungsgebiets gebaut, ein Parkhaus nicht einmal angedacht und Steuereinnahmen durch eine Betriebsansiedelung sind allemal attraktiver als solide Raumplanung. Fünf von neun Bundesländern haben ein schön formuliertes, aber unverbindliches Bodenschutzgesetz. In Deutschland ist die Raumordnung regional streng geregelt und ein Bundesbodenschutzgesetz vermeidet Zersiedelung und unnötige Eingriffe. In der Schweiz war die Entscheidungsmacht der Gemeinden ebenso groß wie in Österreich. 2013 gab es eine Weichenstellung per Volksentscheid für eine Raumordnung auf Kantonsebene.

Auf die Knappheit der Ressource Boden bezieht sich der ökologische Fußabdruck, der Rohstoffverbrauch und Produktionsprozesse auf Flächenbedarf umlegt. Wenn alle so leben würden wie wir hier in Österreich, bräuchte es eineinhalb Planeten Erde. Ein weiteres Stichwort ist Ernährungssicherheit: »In Österreich haben wir schon heute nicht mehr genug Fläche, um uns auf hohem Niveau mit Lebensmitteln selbst versorgen zu können«, macht Gundula Prokop, Spezialistin für Boden- und Flächenmanagement im Umweltbundesamt klar. Das Boden-Kompetenznetzwerk des Bundes (b5) reicht gerade ein Forschungsprojekt ein, das Klarheit schaffen soll. In der Schweiz ist Selbstversorgung mit geschützten Landesflächen für die autarke Versorgung mit Lebensmitteln schon seit 1992 verankert. Manche Regierungen und Unternehmen betreiben Prävention durch Land Grabbing und erwerben v.a. in Entwicklungs- oder Schwellenländern große Ländereien auf fremdem Staatsgebiet.

 

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Was ist Boden?

Die belebte oberste Schicht der Erdkruste an Land leistet unschätzbare Dienste – die Bodenfunktionen. Der Boden ist Lebensraum, filtert, puffert und verwandelt Schadstoffe und Wasser, macht sich als Substrat für Pflanzenwachstum und als Trägermedium nützlich, speichert Wasser und CO2 und stellt ein Archiv für Natur- und Kulturgeschichte sowie genetische Vielfalt. Die Berliner Stadtverwaltung verfügt über Bodenfunktionskarten, Oberösterreich und Salzburg auch, in Wien werden diese in etwa 18 Monaten fertig sein.

Wie entsteht Boden? 

Der mineralische Anteil entsteht aus dem jeweiligen Muttergestein durch Verwitterung (Wind, Wasser, Sonne). Der organische Anteil (= Humus) besteht aus zersetzten Pflanzenresten. Boden ist eine endliche, sich nur sehr langsam erneuernde Ressource.

Wie wird er beschrieben?

Um Böden zu kartieren, kommen Bodenbohrer und Erfahrung zum Einsatz. Ein Eisenhalbrohr wird so weit es geht eingeschlagen, gedreht und vorsichtig ein zylindrisches Bodenprofil gezogen. Darin zeichnen sich in Farbe, Tiefe und Korngröße unterscheidbare Bodenhorizonte ab, grob aufgeteilt in die organische Auflage, den mineralischen Oberboden angereichert mit Humus und ausgewaschenen Stoffen, den mineralischen Unterboden und das Ausgangsgestein. Typische Horizontabfolgen charakterisieren wiederum Bodentypen, die abhängig von Ausgangsgestein, Klima und Bewirtschaftungsform sind. Wichtig für die Bodenfruchtbarkeit sind ph-Wert, Feuchtigkeit und Humusgehalt.

Was gefährdet den Boden?

Den Spitzenplatz nimmt die Versiegelung ein. In Österreich gehen rund 20 Hektar natürlicher Boden pro Tag verloren. Einerseits durch Verbauung wie Straßen, Parkplätze und Gebäude, andererseits  durch Umnutzungen wie zum Beispiel durch Skipisten, Golfplätze und andere Freizeitanlagen. Skipisten verändern die Bodenstrukturen gänzlich. Unter Verbauung stirbt der Boden und verliert alle seine natürlichen Funktionen. Der Zielwert von maximal 2,5 Hektar pro Tag, festgeschrieben in der heimischen Nachhaltigkeitsstrategie, ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Erosion auf intensiv bewirtschafteten Monokulturen ist die zweitgrößte Gefahr. Je vielfältiger und differenzierter eine Landschaft ist, desto weniger sind Böden gefährdet. Die drittgrößte Bedrohung ist Verdichtung durch große Maschinen, wo sie zum Einsatz kommen können.

Was hat das mit uns zu tun?

Der Klimawandel verändert in unseren Breiten – anders als im Permafrost – die Möglichkeiten, was man aus dem Boden herausholen kann. Nicht egal ist der Boden für die Treibhausgasbilanz. Über den Eintrag pflanzlicher Biomasse wird atmosphärisches Kohlenstoffdioxid im Humus fixiert. Durch nicht nachhaltige Bewirtschaftung werden CO2, Methan und Lachgas freigesetzt.

Der Umweltkontrollbericht 2013 des Umweltbundesamtes verzeichnet vereinzelt Belastungen mit den »Top of the POPs«, also persistenten organischen Schadstoffen auch abseits von Industriestandorten. Bundesweite Aussagen sind nicht möglich. Die Schwermetallbelastung mit Blei und Quecksilber in Waldböden ist zurückgegangen. Das Bodenleben passt sich an, aber was an Dreck herunterkommt, landet über kurz oder lang wieder auf unserem Teller oder in unserem Glas.

Im Wasserhaushalt macht sich intakter Boden beim Aufbereiten von Trinkwasser und beim Speichern von Niederschlägen nützlich. Wenn starke Regenfälle auf versiegelten Flächen rasch abfließen, drohen Überflutungen, Muren und Hochwässer. Bei der Entsiegelung von Flächen ist es notwendig mit Boden zu verfüllen, der anderswo als Aushub anfällt. Das regelt sich nicht von selbst.

Was hilft dem Boden?

Gundula Prokop sieht zwei Bodenschutzstrategien: Siedlungsräume kompakt und Bodenverbrauch gering halten sowie geeignete landwirtschaftliche Praktiken. Hier schneidet Österreich mit einer relativ kleinteiligen Landwirtschaft und geförderten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen im Vergleich zu Deutschland, Frankreich oder Polen besser ab. Es geht darum den organischen Anteil im Boden zu erhalten, nicht jeden Halm aufzusammeln, nicht jedes Unkraut tot zu spritzen. Im biologischen Landbau sind Energie, Nährstoffe, Luft und Wasser im Kreis zu führen. Diese Art zu wirtschaften ist flächenintensiv und bedeutet, dass sich Viehwirtschaft und Ackerbau ergänzen. Die industrielle Landwirtschaft schlägt den gegenteiligen Weg ein. Europaweit gehen mindestens 1.000 Quadratkilometer Fläche pro Jahr verloren. Große, intensiv bewirtschaftete Landwirtschaften werden also eher mehr. Eine eigene EU-Bodenrahmenrichtlinie wurde seit 2006 von Österreich, Deutschland, Niederlande, England und Frankreich blockiert.

Hat der Boden ein Imageproblem?

Das Umweltbundesamt in Wien setzt auf Bewusstseins- und Bildungsprogramme ab dem Kindergartenalter: »Der Boden begeistert nicht wie ein Pandabär, aber Kinder garteln, gatschen und mikroskopieren gerne. Wir wollen sensibilisieren und den Boden ins Bildungssystem hineinbringen«, erklärt Gundula Prokop. Das deutsche Umweltbundesamt hat 2004 den Regenwurm Fridolin kreiert. Das heimische Maskottchen ist ein noch namenloses Springschwanzmädchen, ein wenige Millimeter großes, bodenlebendes Gliedertier, das von Wäldern, Ufern, Dünen, Wüsten, den Katakomben im Wiener Stephansdom,  bis zu Schneeflächen im Hochgebirge verbreitet ist. Bodenschützendes Verhalten im Alltag bedeutet – neben der Einmischung in Planungsverfahren – sich damit auseinanderzusetzen, wo die Lebensmittel herkommen, die man konsumiert. Internationaler Tag des Bodens ist jedes Jahr am 5. Dezember, für 2015 hat die UNO das Internationale Jahr des Bodens ausgerufen.

Zahlen zum Boden

–      Ein gesunder Boden kann 200 Liter Wasser pro Quadratmeter speichern.

–      Ein Hektar mittelmäßig fruchtbarer Boden liefert fünf Tonnen Weizen pro Jahr, aus denen sieben Tonnen Brot gebacken werden können.

–      In einem Gramm Waldboden, das entspricht in etwa einem Teelöffel Erde, leben 100 Millionen Bakterienzellen, 60 Kilometer Pilzfäden, 30.000 Einzeller und 1.000 Fadenwürmer. Ein Quadratmeter Boden beherbergt zirka 120 Regenwürmer.

–      Pro Hektar Oberboden (0-30 cm Tiefe) leben bis zu 25 Tonnen Bodenorganismen, das entspricht etwa dem Gewicht von 35 Rindern. Die Artenvielfalt im Boden ist höher als im oberirdischen Teil des Waldes.

–      Im Schnitt entstehen rund 10 cm Boden in 2000 Jahren.

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