Die Erdbeerwoche: In der Regel nachhaltig

Annemarie Harant (c) Rupert Pessl

Wenn es um Frauenhygieneartikel geht, ist Nachhaltigkeit bisher noch kein großes Thema. Doch das soll sich jetzt ändern. Die beiden Jungunternehmerinnen Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger haben sich diesem Thema angenommen und die Erdbeerwoche gegründet, ein Unternehmen, das auf nachhaltige Frauenhygiene spezialisiert ist. BIORAMA traf die beiden zum Interview.

 

BIORAMA: Die Erdbeerwoche bietet nachhaltige Frauenhygiene an. Welche Produkte vertreibt ihr genau?

Bettina Steinbrugger (B): Derzeit haben wir im Sortiment zuerst einmal die Tampons, das war auch die Ausgangssituation. Wir haben angefangen, zu überlegen, woraus denn die konventionellen Tampons bestehen und was es da für Alternativen gibt. Wir haben also Bio-Tampons in verschiedenen Stärken. Dann haben wir Bio-Slipeinlagen und die Menstruationskappen, die ja dann in den wiederverwendbaren Bereich fallen und seit kurzem auch unsere Eigenkollektion der Unterwäsche. Dabei handelt es sich um Damenslips, die biologisch und fair produziert wurden. Wir planen aber, unser Sortiment um Binden zu erweitern, sowohl im Wegwerf- als auch im wiederverwendbaren Bereich.

Bio ist ja in vielen Bereichen ein sehr großes Thema und mittlerweile auch weit verbreitet. Was glaubt ihr, warum ist nachhaltige Frauenhygiene noch so wenig verbreitet?

Annemarie Harant (A): Wir arbeiten ja beide im Nachhaltigkeitsbereich und haben tagtäglich mit vielen Produkten und Unternehmen zu tun und sind durch das Leben gelaufen und haben uns genau diese Frage gestellt: Warum ist Nachhaltigkeit fast in allen Bereichen vertreten, aber nicht in der Frauenhygiene? Man hat Frauenhygieneartikel direkt am Körper, im Körper und weiß aber eigentlich nicht, was genau drin ist. Auf keiner einzigen Packung von konventionellen Marken steht drauf, was ganz genau drin ist und es gibt da auch nicht wirklich eine Deklarationspflicht. Deswegen ist das auch niemandem bewusst.

B: Außerdem ist das Thema Menstruation einfach eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft.

Was glaubt ihr kann dagegen getan werden?

B: Wenn das Thema Menstruation thematisiert wird, dann wird es meistens mit Schmerzen in Zusammenhang gebracht, oder damit, dass man irgendetwas nicht machen kann, weil man die Regel hat. Das sind die einzigen Zusammenhänge, in denen es thematisiert wird. Was aber komplett fehlt ist ein positiver Zugang dazu. Aber positiv nicht im Sinne der gynäkologischen Richtung, weil Aufklärungsunterricht hatten wir alle, wir wissen was da mit dem Körper einer Frau passiert. Es soll mehr in die Richtung gehen, wie die moderne Frau in der Arbeit oder in der Uni damit umgeht. Die Regel soll nicht mehr nur als Einschränkung wahrgenommen werden. Da muss was getan werden und das ist unser großes Anliegen.

A: In gewissem Sinne ist die Aufklärung aber schon auch wichtig. Viele Frauen haben sich zum Beispiel noch nie die Bedienungsanleitung eines Tampons durchgelesen, sie haben keinen blassen Schimmer was das Wort TSS (Anm. d. Red.: Toxisches Schocksyndrom) bedeutet und wissen nicht, dass das wirklich zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

B: Das Problem besteht einfach darin, dass durch diese negative Assoziation mit dem Thema nicht darüber nachgedacht oder gesprochen wird. Man geht in den Supermarkt und steckt das Produkt schnell und fast beschämt ein. Vor dem Parfumregal bleibt man dann stehen und schaut sich an, was genau in den Fläschchen drin ist. Und bei den Frauenhygieneartikeln geht man schnell vorbei, obwohl es gerade da sehr wichtig wäre, genauer auf die Packung zu schauen. Und so kann das nicht weitergehen!

Was hat Frau davon, wenn sie anstatt „normaler“ Hygieneartikel nachhaltige verwendet? Was ist gefährlich oder schädlich an herkömmlichen Produkten?

B: Wir sind immer vorsichtig mit den Worten „schädlich“ und „gefährlich“. Konventionelle Produkte sind nicht gefährlich im ureigentlichen Sinn. Wir wollen einfach erreichen, dass Frauen sich stärker Gedanken machen woraus die Produkte bestehen. Das Problem ist, dass wirklich umfassende Studien derzeit noch fehlen, also Studien die untersuchen, was gewisse Stoffe in Frauenhygieneartikel tatsächlich bewirken. In der Vergangenheit wurden ja immerhin in konventionellen Produkten Dioxin-Rückstände gefunden, die eigentlich giftig sind und ein Rückstand des Bleichprozesses mit Chlor sind. Die Transparenz fehlt einfach. Und uns ist es wichtig, Alternativen anzubieten, bei denen anerkannte Zertifikate bestätigen, dass das eine hundertprozentig biologische Baumwolle ist, die pestizid- und schadstofffrei ist und chlorfrei gebleicht wurde.

Bettina Steinbrugger (c) privat

A: Grundsätzlich noch zur Info, woraus Tampons eigentlich bestehen. Es ist ja nicht Baumwolle, wie Frau meistens denkt, sondern Tampons bestehen aus einem Cellulosegemisch. Das wird zusammengepresst und außen herum wird noch eine Kunststoffumhüllung gesetzt, damit das nicht auseinanderfällt und die Cellulose nicht abfusselt. Wenn man sich ein konventionelles Produkt genau anschaut, dann sieht man oder fühlt man auch, dass da eine Plastikschicht drüber ist. Man weiß nicht, wo diese Cellulose herkommt. Zwar ist die Chlorbleiche in Europa verboten, aber trotzdem gibt es immer noch Produkte, die irgendwo auf der Welt mit Chlor gebleicht wurden. Und es ist eben wie gesagt einfach nicht transparent, wo unsere Tampons herkommen und wie sie hergestellt wurden. . Aber natürlich kann man nicht sagen, dass das alles komplett schlecht ist. Es kommt natürlich auch immer auf die Menge an. Eine Frau verwendet in ihrem Leben zwischen 10.000 und 17.000 Frauenhygieneartikel. Das ist eine ganze Menge. Und wenn man einfach ganz rational darüber nachdenkt, dann ist klar, dass beim Entfernen eines Tampons Reste zurückbleiben, also Fäden die abgehen, vor allem an schwachen Tagen. Und wenn ich darüber nachdenke, dass ich eine Cellulose-Plastikfaser in meinem Körper habe, die vielleicht mit Chlor gebelicht wurde, und dann von meinem Körper absorbiert wird, ist mir diese Vorstellung etwas unangenehm. Da ist mir ein hundertprozentig biologisches Baumwollprodukt, das ohne Schadstoffe auskommt, doch lieber. Und wir finden, Frauen sollten einfach die Wahl haben.

Ihr habt die Menstruationskappe bereits erwähnt. Der Begriff klingt nicht sehr bequem. Wie schwierig ist es, so ein Produkt zu vermarkten?

A: Das Wort Menstruationskappe ist natürlich sehr sperrig und im ersten Moment schrecken alle immer zurück und fragen, was das ist. Allein das Wort Menstruation ist ja schon behaftet und es ist grundsätzlich so, dass man nachhaltige Frauenhygiene immer erklären und den Frauen Denkanstöße geben muss.

B: Man merkt in Gesprächen sehr oft, dass die erste Reaktion auf die Menstruationskappe Ekel ist. Aber wenn wir mit den Frauen darüber sprechen und sie ein wenig darüber nachdenken, dann wird ihnen meistens sehr schnell bewusst, dass es sich ja nur um ihr eigenes Blut handelt und das deshalb eigentlich überhaupt nicht eklig oder unhygienisch ist. Und dann wird das Produkt vermarktbar.

Menstruationskappe (c) Lisa Trauer

Warum sind Bio-Binden bisher noch nicht in eurem Sortiment?

B: Bei den Binden ist es wirklich schwierig, das perfekte Produkt zu finden, weil sie wesentlich komplexer sind als Tampons und  wesentlich mehr Material, also Klebstoff und so weiter, gebraucht wird. Ein hundertprozentiger Bio-Baumwoll-Tampon ist preislich nicht sehr viel teurer als ein konventioneller, während eine Binde jedoch viel mehr Stoff insgesamt braucht und somit eine hundertprozentige Bio-Baumwoll-Binde dementsprechend auch teurer ist, als eben die normalen. Uns ist schon auch wichtig, ein Produkt anzubieten, das auch erschwinglich ist. Denn jede Frau braucht das ja doch jeden Monat.

A: Und die Qualität muss eben einfach passen, vor allem die Saugkraft. Das ist ja das Wichtigste bei dem Thema. Dieses Produkt haben wir bisher noch nicht gefunden und deshalb haben wir Binden noch nicht im Sortiment.

Bekommt ihr manchmal auch Feedback von euren Kundinnen?

B: Ja, wir bekommen recht viel Feedback und das ist eigentlich fast immer positiv. Für das Geschäft ist es natürlich schlecht, wenn die Frauen total zufrieden sind mit der Menstruationskappe, dann sind sie nämlich die nächsten zehn Jahre zufrieden mit diesem einen Produkt (lacht). Aber das wollen wir ja erreichen. Also ein kommerzielles Produkt ist die Menstruationskappe auf jeden Fall nicht.

Eine Frau gibt im Leben sehr viel Geld für Hygieneartikel aus. Wie groß ist der Preisunterschied eurer Produkte im Vergleich zu herkömmlichen Frauenhygieneartikeln?

A: Frau kann sich das auf jeden Fall leisten. Die Kappe ist ja sowieso sehr günstig, sie kostet 15,90 Euro. Man kann sie bis zu zehn Jahre verwenden, wenn man sich das durchrechnet ist das natürlich preislich die Superalternative. Bei den Bio-Tampons sieht es so aus, dass sie nicht ganz doppelt so teuer sind wie konventionelle Tampons. Es kommt natürlich auch immer darauf an, von welchem Produkt man ausgeht. Geht man von einem super billigen Discounter-Produkt aus, oder geht man von einem Markenprodukt aus. Klar, mit den Discounter-Produkten können wir natürlich nicht mithalten.

B: Aber zu den Markenprodukten ist der Preisunterschied nicht mehr so gravierend. Eine Packung mit zwanzig Tampons kostet 4,50 Euro. Bei einem Markenproduzent kostet sie auch zwischen drei und vier Euro.

www.erdbeerwoche.com

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