Die Rückkehr des Filterkaffees

Zu bitter, zu wässrig, zu lasch – von allen Möglichkeiten, Wasser, Kaffeepulver und Technik zusammenzubringen, ist die Filtermethode wohl diejenige, mit dem schlechtesten Ruf. Doch mit Aeropress, Syphon und Co. wollen experimentierfreudige Baristi beweisen, dass Filterkaffee kein Abwaschwasser ist. 

Johanna Wechselberger tunkt den Verkostungslöffel in ein Glas Wasser. Dann taucht sie ihn in die Tasse und schlürft die kleine Menge Kaffee, zwischen den Vorderzähnen hindurch, in den Mund. Johanna lächelt zufrieden. Der Kaffee aus der Syphon-Kaffeemaschine schmeckt ausgezeichnet. In ihrer Vienna School of Coffee (VSOC) zeigt die Kaffeespezialistin, wie man besseren Kaffee machen kann. Vor 15 Jahren hat sie sich ganz dem Kaffeegenuss verschrieben, röstet unter dem Label »die Rösterin« und ist sogar als Jurorin bei Meisterschaften wie dem Cup of Excellence tätig. Bleibt dann noch Zeit, reist sie immer wieder gerne zu den Plantagen, von denen sie die Bohnen direkt bezieht. Ziel ihres Engagements ist es, auch Laien beizubringen, wie man das Beste aus jeder Kaffeebohne holen kann. Besonders viel Wert legt die Barista auf die Zubereitung mit Espresso- und Filtermaschinen. Filterkaffee? Das kennen wir noch von der Kaffeejause bei Oma, das klingt nach fadem Kaffee, der nur mit viel Milch und Zucker zu ertragen ist.

Ist der Ruf erst ruiniert

Dabei gilt Filterkaffee international als Essenz des Kaffees. Sieht man Johanna beim bedächtigen Hantieren mit Digitalwaage, Gießkanne und Spezialfilter zu, erinnert das wenig an Omas blubbernde Kaffeemaschine. Das Wasser zu heiß, die Abtropföffnung zu klein, der Kaffee zu bitter. Der Experte macht alles per Hand und gießt das richtig temperierte Wasser mit kreisenden Bewegungen langsam über den frisch gemahlenen Kaffee. Syphon, French Press, Dripper, Hario, Aeropress – was eher nach Bauteilen für einen Düsenjet klingt, ist das Handwerkszeug für jeden Barista, der etwas auf sich hält. Dabei wird je nach Lust und Laune variiert, probiert und getüftelt. Jemand informiert sich gerade bei Johanna über eine Bezugsquelle für Syphon-Spiritusbrenner. Keine Brühmethode hat größeren Erlebnischarakter als die Zubereitung mit einer Syphon- oder Vakuum-Kaffeemaschine. Dabei fließt das Wasser nämlich nicht von oben nach unten durch einen Filter, sondern wird durch Erhitzen aus einem unteren Behälter über eine Glasröhre in einen oberen Behälter gepresst, in welchem sich das Kaffeepulver befindet. Nachdem alles Wasser im oberen Behälter angekommen ist und sich mit dem Pulver vermischt hat, entfernt man die Hitzequelle (z.B. Spiritusbrenner) und durch das beim Abkühlen entstehende Vakuum wird der Kaffee durch einen Dauerfilter wieder in die untere Kaffeekanne gepresst. Selbst Top-Baristi haben im Vorfeld der alljährlich stattfindenden Barista-Weltmeisterschaften in der Vienna School of Coffee die verschiedenen Zubereitungsarten geübt. Auch ein Laie kann hier in kurzer Zeit lernen, was »guter Kaffee« ist, wie man Espressomaschinen richtig einstellt und tolle Muster in den Milchschaum zaubert.

Die dritte Kaffeewelle

Wer solche Kurse besucht? Johanna antwortet mit einem breiten Grinsen: »Freaks!« Kein Wunder, dass ihr Buch »Kaffeebuch für Anfänger, Profis und Freaks« heißt. Diese Freaks haben eins gemeinsam: die Kaffeeleidenschaft. Sie sprechen von Kaffee-Charakter, Röstaroma, Säuregehalt und fruchtigen Geschmacksnoten. Sie wissen, dass Kaffee je nach Temperatur anders schmeckt. Es sind die Sommeliers der Kaffeeszene, die über die »Third Wave of Coffee« sprechen. Ging es bei der ersten nur um die Konsumation und bei der zweiten um das Genussmittel Kaffee, schwappt jetzt der neue Trend aus Neuseeland, Australien, USA und Skandinavien zu uns herüber. Das Beste aus der Bohne herausholen und den Charakter jeder Sorte unterstreichen ist die Devise. Filterkaffee-Liebhaber nehmen an Kaffeesieder-Highlights wie dem Brewers Cup, der World Cup Tasters Championship und der Messe World of Coffee teil. In Fachzeitschriften und Foren wird die beste Zubereitung diskutiert wird und Gastronomen haben sich dem Brühtrend verschrieben. In Wien hat sich eine junge Szene etabliert: Viele von ihnen rösten selbst, Direkthandel mit den Produzenten ist ihnen wichtig. Man will wissen, woher der Kaffee kommt, den man trinkt.

Kaffeeoase mitten in der Stadt

Einer der Neo-Gastronomen ist Johannes Runge. Gemeinsam mit Boris Ortner hat er das Kaffeemodul eröffnet. Das winzige Lokal ist leicht zu übersehen und doch ein Lokal der besonderen Art, denn täglich soll es hier das Ergebnis einer anderen Brühmethode zum Probieren geben. Johannes Augen leuchten, wenn er von Kaffeespezialitäten aus aller Welt, Micro Bubble Milchschaum und Filterkaffee erzählt. Auf seine erste selbstgebaute Brew Bar aus Holz ist er heute noch stolz. Beim Verkosten spricht Johannes von Nussaroma, Litschi- und Pfirsichgeschmack. »In Wien sind natürlich Melange und Cappuccino die Klassiker. Aber ich biete gerne Filterkaffee zum Probieren an und erkläre, wie ich den Kaffee zubereitet habe.« Vielen muss erst die Scheu vor Filterkaffee genommen werden. Der Kaffee im Kaffeemodul hat aber wenig mit dem wässrigen Gesöff, das fauchend aus den Ungetümen tröpfelt und ohne Aroma, aber bitter ist, zu tun. Ob sich alle Koffeingenießer so gut auskennen wie Johannes? »Naja, das ist dann doch eher für die Nerds unter den Kaffeeliebhabern«, lacht Johannes. Auf alle Fälle schmeckt der Kaffee.

Kaffeekünstler

Johannes Runge vom Kaffeemodul im Kurz-Interview.

BIORAMA: Wie hast du deine Liebe zum Filterkaffee entdeckt?
Johannes: In Hamburg hat eine lokale Kaffeehauskette frisch aufgebrühten Filterkaffee angeboten. Ich hab das damals noch belächelt aber je mehr ich mich mit Kaffee beschäftigt habe, desto präsenter wurde das Thema. Hier in Wien habe ich meine erste Aeropress geschenkt bekommen. So hat es angefangen…

BIORAMA: Wieso hat er bei uns den Ruf als „Abwaschwasser“?
Johannes: Weil er jahrelang nicht optimal zubereitet wurde und man die falschen Kaffees dafür bzw. die falschen Röstungen benutzt hat. Gut gerösteter Filterkaffee ist gut bekömmlich und eine Alternative für diejenigen, die nicht viel Milch trinken wollen.

BIORAMA: Was macht einen guten Barista aus?
Johannes: Spaß an handwerklicher, präziser Arbeit und eine gewissen Motivation, sich auch mit Herkunft, Anbau und Verarbeitung von Kaffee zu beschäftigen.

BIORAMA: Verrätst du uns deinen Lieblingskaffee?
Johannes: Bei den momentanen Temperaturen bevorzuge ich kalt extrahierten Äthiopischen Yirgacheffe. Klingt komisch, schmeckt aber toll nach Eistee und süßen Beeren!

BIORAMA: Würdest du dich als Kaffee-Nerd bezeichnen?
Johannes: Eher als experimentierfreudiger Kaffee-Liebhaber. Der Unterschied ist meiner Meinung nach, dass ich das Kaffeesieden als Handwerk sehe und mich nicht darüber definiere. Ich interessiere mich auch für Wein und gutes Essen und finde es einfach spannend, wie verschiedene Handgriffe einen so großen Einfluss auf das Endergebnis haben können.

BIORAMA: Du probierst beim Kaffeekochen immer wieder Neues aus. Was war das letzte Aha-Erlebnis für dich?
Johannes: Einen Espresso in ein Glas mit kaltem Waldbeertee und Eiswürfeln zu geben. Eine sehr beerige, leicht bittere Angelegenheit, aber wirklich sehr erfrischend! Wer es lieber süß hat, kann auch mit Rohrzucker oder Stevia nachhelfen.

BIORAMA: Hast du einen Tipp für uns, wie man auch zuhause guten Kaffee zubereiten kann?
Johannes: Den Kaffee frisch mahlen und darauf achten, dass die Wassertemperatur nicht zu hoch ist. Also kochendes Wasser erst etwas abkühlen lassen und erst dann aufgießen. Bei der Zubereitung mit der Schraubkanne diese nur bei kleiner Flamme auf den Herd stellen und vom Herd nehmen, bevor es durchsprudelt.

BIORAMA: Was ist so toll am Kaffeemodul?
Johannes: Bei uns dreht sich alles um Kaffee! Und bei uns kann man viel darüber lernen. Man muss nur fragen…

BIORAMA: Wo trinkst du am liebsten Kaffee, wenn du nicht gerade dort bist?
Johannes: In der Kaffeefabrik, im POC oder im CaffeCouture. In die typischen Wiener Kaffeehäuser gehe ich nur mit Besuch um das Ambiente zu genießen.

www.kaffeemodul.at

www.viennaschoolofcoffee.at

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