»Erfolg ist nicht, einen dicken Hirsch zu schießen«

Bild: privat

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Elisabeth Emmert ist seit 1992 Bundesvorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes in Deutschland. Sie erklärt, was Jagd mit Naturschutz zu tun hat und warum das Image von Jägern manchmal zu Recht schlecht ist.

»Tierschutz hat heute einen ganz anderen Stellenwert als vor 50 Jahren und da haben die traditionellen, konservativen Jäger den Anschluss verpasst.«

BIORAMA: Haben Sie selbst Jagdtrophäen?

Elisabeth Emmert: Wir sind nicht der Meinung, dass man Trophäen wegwerfen muss. Wir haben aber das Problem, dass das Streben nach Trophäen zu überhöhten, unangepassten Wildbeständen führt. Ich habe schon ein paar Sachen aufgehoben als Erinnerung, aber es soll nicht im Mittelpunkt stehen.

Was hat Jagd mit Naturschutz zu tun?

Wir wollen so jagen, dass man Naturschutzbelange nicht gefährdet, sondern sie fördert. Im Wald kann man das so machen, dass natürliche Waldentwicklung gewährleistet ist. Auch in Österreich sind die Schalwildbestände wie Reh, Hirsch und Gams viel zu hoch und es müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, damit Baumarten und andere Teile der Vegetation überhaupt wachsen können. Das ist für uns angewandter Naturschutz – großflächig dafür zu sorgen, dass die natürliche Waldentwicklung gewährleistet ist.

Die Natur selbst kann das also nicht mehr regeln?

Ja, weil es keine natürlichen Feinde gibt und weil das Wild massiv gehegt und gefüttert wird. Wenn man nicht füttert, verhungern die Tiere nicht reihenweise, sondern die Reproduktion geht zurück und die Wildbestände sind niedrig. Es ist Unsinn, ein Wild, das bei uns sowieso in rauhen Mengen vorhanden ist, auch noch zu füttern. Einen Fuchs oder einen Beutegreifer füttert niemand.

Was steckt dahinter?

Die Jäger wollen viel Wild haben und Füttern ist ein Lenkungsinstrument. Ich kann das Wild in meinem Revier halten. Manche glauben vielleicht wirklich, dass sie was Gutes tun. Das Argument, dass Fütterung zu weniger Wildschäden im Wald führt, stimmt aber nicht. Es ist eher das Gegenteil der Fall.

Was unterscheidet ökologische Jagd von traditioneller Jagd?

Wir wollen so jagen, dass wir die gesamten Lebensräume im Fokus haben und nicht nur wenige Arten, die als jagdlich interessant gelten. Das Ökosystem, der Lebens- und Wirtschaftsraum Wald soll als Gesamtes betrachtet werden.

Kann Tiere töten jemals ökologisch sein?

Grundsätzlich werden in der Natur Tiere von anderen Tieren getötet. Wenn man den Mensch als Teil des Ökosystems sieht, ist er dazu berechtigt, Tiere zu nutzen. Das heißt aber auch, dass die geschossenen Tiere sinnvoll genutzt werden sollen. Wobei der Mensch natürlich, weil er ethisch verantwortlich ist, sich von Tieren abhebt. Es ist auch ökologisch sinnvoll, Wildbestände so zu reduzieren, dass die im Wald vorhandenen Pflanzenarten alle wachsen können. Das Verhältnis von Wald und Wild passt einfach nicht mehr.

Ist auch die Jagd Ursache für manche Probleme?

Natürlich, nach wie vor werden jagende Tierarten als Konkurrenten gesehen. Für den Wolf und den Luchs sind illegale Abschüsse ein großes Hemmnis, sich weiter auszubreiten.

Auf welche Probleme stoßen Sie in den Reihen traditioneller oder konservativer Jäger?

Wenn die Kritik aus den eigenen Reihen kommt, wirkt das mehr. Man kennt sich ja untereinander und damit haben die Jäger natürlich ein Problem. Sie müssen die eigenen Positionen hinterfragen und oft haben sie keine sachlichen Argumente sondern verschanzen sich hinter Pauschalbeschuldigungen. Das Verhältnis zu Tieren in der Gesellschaft ist ein anderes als noch vor 50 Jahren. Tierschutz hat einen ganz anderen Stellenwert und da haben die traditionellen, konservativen Jäger den Anschluss verpasst.

Haben Sie das Gefühl, dass ein Umdenken passiert?

Es ändert sich. Aber auch in der Vergangenheit haben sich das Denken und die Jäger nur auf Druck von außen geändert. Wichtig ist, dass von den Grundeigentümern, die ja eigentlich die Inhaber des Jagdrechts sind, Druck auf die Jäger ausgeübt wird. Oder dass man die Jäger, die es anders machen wollen, unterstützt.

Finden Sie, dass das Image des Jägers oft zu Unrecht schlecht ist?

Zu Unrecht nicht. Die Fakten sind ja kritikwürdig. Viele Jäger glauben, das öffentliche Bild von Jagd muss besser werden. Wir sagen aber, dass die Jagd sich ändern muss.

Darf Jagen Spaß machen?

Jeder Jäger hat einen emotionalen Zugang zur Jagd. Man muss es gerne machen, aber man darf das nicht mit der Lust am Töten verwechseln. Einem Metzger unterstellt man ja auch nicht, dass er Lust am Töten hat. Erfolg soll aber nicht nur sein, einen dicken Hirsch zu schießen, sondern dass der Wald gut wachsen kann. Ich freue mich, wenn Tannen und Eichen ohne Schutz aufwachsen können. Oder wenn ich einen guten Braten habe, dann ist die sinnvolle Verwertung des Wildes gewährleistet.

www.oejv.de

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