Open Culture für Saatgut

Günther Friesinger

Günther Friesinger

„Nur wenn wir uns selbst ermächtigen, können wir unsere Gesellschaft bereichern“, so Günther Friesinger, Kurator des Paraflows – dem Festival für Digitale Kunst und Kulturen. 

Open Culture ist das Thema des Festivals in diesem Jahr. Wikis, Open Source oder E-Government – am Willen zur Mitsprache und Beteiligung mangelt es nicht und in der Kreativbranche bildet Open Culture längst einen der wichtigsten Motoren innovativer (Weiter-)Entwicklung und Produktion. Geht es aber um direkte Entscheidungen über soziale und politische Verhältnisse, „hat die Politik eher Angst vor den Bürgern“, so sieht es Friesinger. Um künstlerische wie real-politische Macht und Ermächtigung durch Open Culture soll es beim Paraflows gehen – künstlerisch-ästhetisch sowie praktisch und partizipativ in Workshops und Projekten zum selber Hand anlegen. Keineswegs lässt sich Open Culture nur auf digitale Kultur reduzieren. Im Zentrum des Festivals steht ein Problem ganz irdischer, ja existentieller Natur: Der freie Zugang zu Saatgut.

Pop-up-Garden von Tat Ort, © paraflows

Open Culture für Saatgut

Die Künstlergruppe Tat Ort hat vor dem Weissen Haus einen „Pop-up-Garden“ aus alten Möbelstücken aufgebaut, der mit „altem“ Saatgut bepflanzt ist und zum „Mitackern“ einlädt. Die Ernte soll währende des Festivals dann auch sogleich „verkocht“ werden in einer „Pop-up-Küche“ – der Soupermobile des Künstlers Andreas Strauss. „Altes“ Saatgut heißt hier v.a.: nicht genmanipuliert oder von Konzernen wie Monsanto kontrolliert. Die Arbeit schafft einen Raum „realen“ gemeinsamen Schaffens und des Austauschs und ist ein Protest gegen die stark lobbyierenden Saatgut-Unternehmen, von denen die zehn größten bereits 75 Prozent des Saatgutes der Welt kontrollieren.

Pop-up-Küche "Soupermobile" von Andreas Strauss, © paraflows

Pop-up-Küche „Soupermobile“ von Andreas Strauss, © paraflows

Neben künstlerischen Positionen zu diesem Thema besteht auch eine Kooperation des Paraflows mit der Arche Noah und der Aufruf zur Unterzeichnung ihrer Petition gegen eine EU-Saatgutvorlage. Diese sähe eine notwendige Registrierung für Landwirte und ihre seltenen Sorten vor, wenn sie diese weitergeben möchten. Gut möglich, dass alte Saatgutsorten bei den Testverfahren durchfallen, weil sie zu wenig einheitlich sind. Auf Landwirte, die sich auf die Züchtung und Weitergabe vielfältiger, alter Sorten spezialisiert haben, käme ein immenser Kostendruck zu. Die Vorlage würde also große Konzerne und industrielle Sorten begünstigen. „Saatgut ist etwas, das eigentlich allen gehören sollte“, so Friesinger und dies sei auch das Konzept der Open Culture. „Es soll weiterhin möglich sein, alte Obst- und Gemüsesorten anbauen und weitergeben zu können. Nicht, dass ein großer Konzern den Markt kontrolliert und dadurch auch dafür sorgt, dass Saatgut ausstirbt.“ Die Thematik ist ein gutes Beispiel dafür, wie gerade auch virtuelle Räume als real-politische Aktionsräume genutzt werden, um allgemeine Rechte und Freiheiten durch zu setzen.

Open Culture und Politik

Insbesondere in der Verbindung von digitalem Wissen und daraus folgendem Handeln zeigt sich das Potential der Open Culture – Apps, die uns zeigen, wo wir uns befinden, was um uns herum gerade passiert sind nur der Anfang. Interesse an freiem Zugang zu öffentlichen und staatlichen Informationen sind unlängst durch Netz- und Politskandale auch in die breite mediale Öffentlichkeit gerückt. Copyrights, Zugriff auf öffentliche Verwaltungsdaten oder politische Transparenz werden Thema sein. Workshops sollen die Ökonomie von Open Source-Projekten verbessern, also ihre Verwaltung, Lesbarkeit und praktische Umsetzbarkeit.

Video-Tutorial von Bastian Hoffmann, © paraflows

Video-Tutorial von Bastian Hoffmann, © paraflows

Impulse zur Reflexion über moderne Produktionsverhältnisse bietet eine ironisch-unterhaltsame wie scharfsinnige Arbeit des Kölner Künstlers Bastian Hoffmann mit einer Live-Performance. In seinen Video-Tutorials führt er Produktionsverfahren vor, die die Absurditäten der Massenproduktion überzeichnen und beantwortet Fragen, die nie gestellt wurden – z.B. wie man aus einer Massivholzplatte billigen Pressspan herstellt.

Stabiles Budget

Nachdem das Paraflows vor zwei Jahren wegen eingeschränkter Fördermittel und verspäteten Zusagen vom Herbst auf Winter verlegt werden musste, kann es seit letztem Jahr wieder aus den Vollen schöpfen. Mit Geldern von der Stadt Wien (MA7 Kultur), der BMUKK, dem EU-Kulturprogramm EAMEA und der ZIT, gäbe es nun ein „sehr stabiles Budget“, so Günther Friesinger.

 

Paraflows 8 – Festival für Digitale Kunst und Kulturen läuft vom 12. September bis 13. Oktober

www.paraflows.at

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