Tiere Töten: Man sollte es sich bewusst machen

© flickr.com / torrez - CC BY -SA 2.0

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Wir haben das Schlachten hinter die Kulissen verbannt, meint der Philosoph Richard David Precht. Das finden wir auch und werfen bei einer Lesersafari erneut einen Blick hinter die Kulissen der Fleischerzeugung.

Fleischkonsum ist ein Thema, mit dem sich BIORAMA immer wieder beschäftigt. Die Lebensmittelindustrie sorgt ständig für neue Anlässe, um Produktions- und Konsumgewohnheiten kritisch zu hinterfragen. Ob es moralisch überhaupt vertretbar ist, Fleisch zu essen, ist dabei eine Frage, an der sich die Geister scheiden – auch innerhalb der BIORAMA-Redaktion und unter den Leserinnen und Lesern. Weil wir die Frage nicht einseitig beantworten wollen, versuchen wir, Informationen rund ums Fleisch zu liefern, die dabei helfen, sich eine eigene Meinung zum Verzehr von Tieren oder tierischen Produkten zu bilden.

Dass BIORAMA sich nicht klar als vegetarisch oder vegan positioniert, nehmen uns manche übel. Zuletzt hat das Jonas Vogt zu spüren bekommen, als er sich in dem Artikel ,Eine lautstarke Minderheit’ in BIORAMA #24 dem Verhalten mancher Veganer im Social Web gewidmet hat. Und auch die BIORAMA-Lesersafari, bei der wir der Schlachtung eines Bio-Schweins beigewohnt haben, löste eine Diskussionen aus – und das ist auch gut so.

Dass insgesamt zu viel Fleisch gegessen wird, leuchtet ein. Die massenhafte Produktion industriellen Billigfleischs verursacht Treibhausgas-Emissionen und sorgt für eine riskante Nitratbelastung von Böden und Grundwasser. Immer öfter auftretende Fleischskandale sind eine Folge des ständigen Verlangen des Marktes nach billigem Fleisch. Und neben all diesen negativen Folgen bleiben grundlegende moralische Fragen nach der Legitimität des Tötens von Tieren ihres bloßen Verzehrs wegen bestehen. Richard David Precht, Deutschlands derzeit gefragtester Popularphilosoph, hat sich für das Magazin Forum – Nachhaltig Wirtschaften an einer Antwort auf die Frage, ob es legitim ist, Fleisch zu essen, versucht.

Die philosophisch richtigere Lebensweise

„Eine vegetarische Lebensweise ist aus philosophischer Sicht die richtigere“, lautet das Urteil Prechts, der übrigens selbst kein Vegetarier ist. Warum aber wird dann im angeblichen Zeitalter der Vernunft trotzdem immer mehr Fleisch gegessen? Dafür hat Precht eine ideengeschichtliche Erklärung. So sei die biologische Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier zwar den alten Griechen schon bewusst gewesen, „aber im Zuge des Christentums und des Rationalismus – denken wir an Descartes und das rationalistische Paradigma, in dem Tiere nur Maschinen sind – haben wir einen künstlichen Graben geschaffen, der die biologische Verwandtschaft ignoriert. Das können wir seit Charles Darwin eigentlich nicht mehr machen, aber wir haben diesen Graben sorgsam gehütet.“ Der (Fleisch essende) Mensch also, lebt noch immer in einem vagen Bewusstsein, die Krone der Schöpfung darzustellen.

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© Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Richard David Precht möchte dennoch niemandem vorschreiben, gänzlich auf Fleisch zu verzichten. Sein Kompromissvorschlag lautet, „sich zu überlegen, ob man das Tier, das man isst, auch eigenständig hätte töten können. Einfach als ein Versuch, eine Brücke zwischen unserem Abstraktionsvermögen und der tatsächlichen, sinnlichen Realität vom Schlachten zu schlagen.“

Das Schlachten von Tieren stellt für den Großteil der Fleischesser eine abstrakte Handlung dar, die im verborgenen stattfindet. Moralische Erwägung zum Töten von Tieren verschwinden so ebenfalls aus der unmittelbaren Wahrnehmung. Precht: „Wir haben das Töten von Tieren, was früher eine Art Alltagskultur in Bauernfamilien oder auf dem Marktplatz war, hinter die Kulissen verschoben. Dieses Elend hat aber rein quantitativ ein Ausmaß erreicht, das als Verbrechen größer ist, als je zuvor.“ Was es bedeutet, Tiere zu schlachten, sollte man sich bewusst machen, und dazu bedarf es auch eines Blicks hinter die Kulissen der Fleischerzeugung. Deshalb lädt BIORAMA am Samstag, 28.09.2013 zu einer Lesersafari zur Schlachtung eines Bio-Hochlandrinds auf die Juhu Ranch nach Obertrum bei Salzburg.

Die Entscheidung, ob man nach dem Erlebnis einer Schlachtung weiterhin Fleisch isst, es seltener oder zumindest bewusster tut, bleibt jeder und jedem selbst überlassen.

 

 

Das Interview mit Richard David Precht erscheint in Forum Nachhaltig Wirtschaften 3/2013. 

BIORAMA Lesersafari 28.09.2013:
Schlachttag auf der Juhu Ranch

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