Was ist eigentlich…ein Kuhpraktiker?!

Wir fragten Dipl.-Ing. Kornel Cimer, BEd (Universität für Bodenkultur, Wien (BOKU), Department für Nachhaltige Agrarsysteme, Institut für Nutztierwissenschaften) und seine Kollegen Christoph Winckler und Christine Leeb.

Die Prinzipien des Öko-Landbaus sehen u.a. vor, dass „Tieren die Bedingungen und Möglichkeiten zum Leben geboten werden, die ihrer Physiologie und ihrem natürlichen Verhalten entsprechen und zu ihrem Wohlbefinden beitragen“. Zudem wird der Verzicht auf den Routineeinsatz von Medikamenten angestrebt, weshalb es für Bio-Bauern besonders wichtig ist, umfangreiches Wissen zur Vorbeuge von Problemen und zur Erkennung früher Anzeichen von vermindertem Wohlergehen zu erwerben. Hinter dem Begriff „Kuhpraktiker“ verbergen sich Bio-Milchviehbauern, die während einer Fortbildungsreihe speziell dazu ausgebildet werden, das Wohlergehen von Milchkühen zu erkennen und zu verbessern.
Grundlage für die Schaffung dieser Fortbildungsveranstaltung waren im Vorfeld durchgeführte Projekte der Universität für Bodenkultur (BOKU). Die im Rahmen wissenschaftlicher Studien überprüften Konzepte werden nun in Zusammenarbeit mit BIO AUSTRIA in Form von praktikablen „Werkzeugen“ vermittelt. Zudem wird das Erfahrungswissen der Teilnehmer genutzt und ausgetauscht. Den Teilnehmern werden in den einzelnen, aufeinander aufbauenden Modulen der Ausbildung vier „Werkzeuge“ vermittelt. Zunächst erlernt der Teilnehmer die Beurteilung des Wohlergehens von Einzeltieren und der Herde, wobei man darunter physische Unversehrtheit (z.B. hinsichtlich Verletzungen, Körperkondition), psychisches Wohlergehen (z.B. Abwesenheit von Schmerzen) und die Möglichkeit der Tiere zur Ausübung ihres Normalverhaltens versteht (z.B. Körperpflegeverhalten, Liegeverhalten). Im zweiten Teil werden Aufzeichnungen und Daten wie Milchleistung und –zusammensetzung ausgewertet und interpretiert. Die Daten aus der Tierbeurteilung und den Aufzeichnungen fließen in den sogenannten Tiergesundheitsplan ein. Darunter versteht man einen strategischen Plan, der auf der Bewertung der Situation im Vergleich zu anderen Höfen, dem Setzen von Zielen und Maßnahmen, der Umsetzung und der wiederholten Bewertung der Situation beruht. Das vierte Werkzeug des Kuhpraktikers ist die „Stable School“. Hierbei wird in einem kleinen Kreis von fünf bis sechs Personen während eines Hofrundgangs sowie anhand des Tiergesundheitsplans Erfahrungswissen zu verschiedenen Themen (z.B. Verbesserung der Eutergesundheit) ausgetauscht. Reihum gestaltet jeweils ein anderer Gastgeber die Thematik, erhält viele praktikable Lösungsvorschläge durch die anderen Bauern und entscheidet sich dann, welche Maßnahmen er für seinen Hof für geeignet hält. Diese Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit erhöhen wesentlich den Grad der Umsetzung. Oft helfen kleine Veränderungen, wie beispielsweise die Verbesserung der Liegefläche, um das Wohlergehen der Tiere nachhaltig zu verbessern.
Ein wichtiges Ziel der Ausbildungsreihe ist auch die Gründung und Weiterführung von eigenständigen „Stable Schools“ durch die Teilnehmer. Die Fortbildungsveranstaltung wurde bislang in sechs Bundesländern mit insgesamt 50 Bauern durchgeführt. Ab November 2011 starten neue Kurse. Mehr Information dazu erhält man unter www.bio-austria.at.

Kornel Cimer, Christoph Winckler und Christine Leeb arbeiten an der Universität für Bodenkultur am Institut für Nutztierhaltung an der praktischen Umsetzung von Wohlergehensplanung bei Nutztieren.

VERWANDTE ARTIKEL